User Interviews – So bekommst du qualitative Daten für deine Personas

User Interviews helfen dir dabei Daten für Personas zu sammeln. Ich zeige dir wie das geht und welche Fragen du stellen musst.

Eine Illustration einer User Interview Situation
Inhaltsverzeichnis
  1. Wie führt man ein User Interview? Die Grundlagen
  2. Tipps & Tricks für ein angenehmes Gespräch
  3. User Interview Fragen – Der komplette Fragenkatalog
  4. Typische Fehler bei User Interviews und wie du sie vermeidest
  5. Wie du die Qualität deiner User Interviews steigerst
  6. Nachbereitung: Wie du das Maximum aus deinen Interviews herausholst
  7. Der Wert guter User Interviews
  8. Der nächste Schritt

Alle möchten, dass man für seine Personas „qualitative“ Daten durch Interviews sammelt. Aber hast du schon mal ein Interview geführt? Nein? Genau das war auch mein Problem.

Als ich meine ersten User Interviews planen wollte, hatte ich auch keine Ahnung, wie oder wo ich anfangen sollte. Mir schwirrten sofort zahlreiche Fragen durch den Kopf:

  • „Welche Fragen soll ich überhaupt stellen, um wirklich nützliche Insights zu bekommen?“
  • „Wie gestalte ich das Interview möglichst angenehm für beide Seiten?“
  • „Wie viel Zeit sollte ich einplanen, um alle wichtigen Informationen zu erhalten?“
  • „Wie dokumentiere ich die Ergebnisse am besten?“
  • usw.

In diesem praxisorientierten Artikel teile ich mit dir die besten Tipps & Tricks, mit denen du selbstsicher und professionell User Interviews führen kannst. Du erhältst einen kompletten Fragenkatalog und lernst, wie du eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffst, die zu ehrlichen, tiefgehenden Antworten führt.

Aber eins nach dem anderen. Fangen wir mit den Grundlagen an.

Was sind User Interviews

User Interviews sind strukturierte Gespräche mit Personen, die dein Produkt oder deinen Service nutzen oder potenziell nutzen könnten.

Sie sind eine der effektivsten Methoden, um qualitative Daten für deine User Research zu sammeln und echte Einblicke in die Bedürfnisse, Wünsche und Schmerzpunkte deiner Zielgruppe zu gewinnen.

Anders als quantitative Daten (Nutzungsstatistiken, Umfragen mit geschlossenen Fragen), liefern User Interviews dir tiefergehende Erkenntnisse über:

  • Unentdeckte Bedürfnisse und Wünsche
  • Die Motivationen und Ziele deiner Nutzer
  • Ihre täglichen Herausforderungen und Probleme
  • Emotionale Aspekte der Nutzererfahrung

Bei einem User Interview interviewst du immer nur eine Person gleichzeitig und stellst gezielte Fragen, um ein detailliertes Verständnis der Nutzerperspektive zu erlangen.

User Interviews sollten immer dann eingesetzt werden, wenn du:

  • Echte Daten für User Personas benötigst
  • User Journey Maps erstellen möchtest
  • Hypothesen über Nutzerverhalten validieren willst
  • Neue Produktideen entwickelst oder bestehende Produkte optimierst

In diesem Artikel konzentriere ich mich vorallem auf Interviews, mit denen du die richtigen Daten für User Personas bekommst.

Warum User Interviews für Personas unerlässlich sind

Egal ob du gerade erst anfängst, User Personas zu erstellen oder bestehende überprüfen möchtest:

Ohne echte Nutzerdaten bleiben deine Personas reine Fiktion.

Die Gefahr bei fiktiven Personas? Du entwickelst an den tatsächlichen Bedürfnissen deiner Zielgruppe vorbei.

Mit den Daten aus User Interviews kannst du:

  • Deine bereits erstellten User Personas auf Richtigkeit überprüfen
  • Neue Personas auf Basis echter Nutzerdaten entwickeln
  • Von Anfang an falsche Annahmen über deine Nutzer vermeiden
  • Entscheidungen mit Selbstvertrauen treffen, weil sie auf echten Erkenntnissen basieren

Mit wem führt man User Interviews?

Für aussagekräftige Ergebnisse ist die Auswahl der richtigen Interviewpartner entscheidend. Du solltest primär mit Menschen sprechen, die bereits eine Verbindung zu deinem Produkt oder ähnlichen Produkten haben.

Die besten Kandidaten für deine User Interviews sind:

  • Aktuelle Kunden/Nutzer (ideal, da sie direkte Erfahrung mit deinem Angebot haben)
  • Frühere Kunden/Nutzer (wertvoll für Einblicke, warum sie nicht mehr bei dir sind)
  • Kunden der Konkurrenz (hilfreich, um Branchenstandards und Erwartungen zu verstehen)
  • Potenzielle Nutzer aus deiner Zielgruppe (wenn du ein neues Produkt entwickelst)

Je näher deine Interviewpartner an deiner tatsächlichen Zielgruppe sind, desto relevanter werden die gesammelten Daten für deine Personas sein.

Wie führt man ein User Interview? Die Grundlagen

Die Durchführung erfolgreicher User Interviews erfordert eine gute Vorbereitung, die richtige Einstellung und ein paar bewährte Techniken.

Hier sind die wichtigsten Grundlagen:

1. Format und Zeitrahmen planen

User Interviews können auf verschiedene Weise durchgeführt werden:

  • Persönliches Gespräch (ideal für Beobachtung von Körpersprache und Emotionen)
  • Videochat (praktisch und fast so gut wie persönliche Gespräche)
  • Telefonat (wenn Video nicht möglich ist)

Für ein aussagekräftiges Interview solltest du 30 bis 60 Minuten einplanen.

Diese Zeitspanne ermöglicht tiefgehende Gespräche, ohne die Konzentration zu überfordern. Vereinbare immer einen festen Termin mit deinem Interviewpartner. So fühlt sich niemand überrumpelt oder unter Druck gesetzt.

👉 Kleiner Ausflug: Remote vs. Präsenz – Welches Format solltest du wählen?

In der heutigen Welt hast du die Wahl:

Führst du deine Interviews persönlich oder digital durch? Beide Formate haben ihre ganz eigenen Vorteile und Herausforderungen.

Die Vorteile von Präsenz-Interviews
  • Natürlichere Kommunikation: Körpersprache, Mimik und Gesten sind vollständig sichtbar und geben dir zusätzliche Insights
  • Vertrauensaufbau: Der persönliche Kontakt schafft oft schneller eine vertraute Atmosphäre
  • Weniger technische Störfaktoren: Keine Verbindungsprobleme oder Tonaussetzer, die das Gespräch unterbrechen
  • Bessere Kontrolle über die Umgebung: Du kannst einen ruhigen, neutralen Ort wählen, der ideale Gesprächsbedingungen bietet
Die Stärken von Remote-Interviews
  • Zeitersparnis: Keine Anreisezeiten für beide Seiten
  • Größere geografische Reichweite: Du kannst mit Nutzern aus der ganzen Welt sprechen
  • Niedrigere Einstiegshürde: Viele Menschen fühlen sich in ihrer gewohnten Umgebung wohler und antworten offener
  • Einfachere Dokumentation: Die meisten Videocall-Tools bieten Aufnahmefunktionen, die dir die Nachbereitung erleichtern
Meine 5 Top-Tipps für erfolgreiche Remote-Interviews
  1. Technik vorher testen
    Nichts ist frustrierender als technische Probleme zu Beginn eines Interviews. Mach einen kurzen Testlauf mit deinem Setup und schicke deinem Interviewpartner rechtzeitig alle nötigen Links und Infos.
  2. Für gute Audioqualität sorgen
    Investiere in ein ordentliches Headset oder Mikrofon. Schlechter Ton ermüdet beide Seiten und führt zu Missverständnissen.
  3. Blickkontakt simulieren
    Schau regelmäßig in die Kamera, nicht nur auf den Bildschirm. Das simuliert Blickkontakt und schafft Verbindung.
  4. Screen Sharing nutzen
    Wenn es um Produkt-Feedback geht, nutze die Screen-Sharing-Funktion. Du kannst Prototypen zeigen oder den Nutzer beim Umgang mit deinem Produkt beobachten.
  5. Plan B haben
    Sei auf technische Pannen vorbereitet. Halte eine Telefonnummer bereit oder biete alternative Kommunikationswege an, falls die Videoverbindung zusammenbricht.

Egal für welches Format du dich entscheidest:

Die Grundprinzipien guter Interviews bleiben gleich:

  • aktives Zuhören,
  • offene Fragen stellen und
  • echtes Interesse zeigen.

Die Qualität deiner Fragen und deine Fähigkeit, Vertrauen aufzubauen, sind letztendlich wichtiger als das Medium selbst.


2. Ausreichende Interviews führen

Ein einzelnes Interview reicht nicht aus, um Muster zu erkennen und verlässliche Schlussfolgerungen zu ziehen.

Plane zwischen 5 und 10 Interviews pro Nutzergruppe ein. Diese Anzahl bietet dir genügend Datenpunkte, um Gemeinsamkeiten zu identifizieren und gleichzeitig den Aufwand in einem realistischen Rahmen zu halten.

👉 Kleiner Ausflug: Zeitmanagement – So planst du eine effiziente User Interview-Serie

Du weißt jetzt, dass du 5-10 Interviews pro Nutzergruppe führen solltest.

Aber wie organisierst du diese effizient, ohne dass deine anderen Aufgaben zu kurz kommen? Hier ist mein Ansatz für das Zeitmanagement bei mehreren Interviews:

1. Der optimale Zeitplan: Qualität vor Quantität

Plane nicht mehr als 2-3 Interviews pro Tag. Warum? Interviews erfordern hohe Konzentration und emotionale Präsenz. Nach dem dritten Gespräch lässt deine Aufmerksamkeit spürbar nach – und damit auch die Qualität deiner Erkenntnisse.

Mein persönlicher Tipp: Morgens ist meine Konzentration am höchsten, daher plane ich wichtige Interviews in den Vormittag. Finde heraus, wann deine beste Zeit ist!

2. Die richtige Taktung: Pausen sind Pflicht, nicht Luxus

Zwischen zwei Interviews solltest du mindestens 30-45 Minuten Pause einplanen. Diese Zeit brauchst du für:

  • Sofortige Nachbereitung des vorherigen Gesprächs (15-20 Min)
  • Kurze mentale Erholung (5-10 Min)
  • Vorbereitung auf den nächsten Teilnehmer (10-15 Min)

Diese Pausen sind keine verschwendete Zeit, sondern essentiell für qualitativ hochwertige Ergebnisse!

3. Die zeitliche Streckung: Marathon statt Sprint

Verteile deine Interviews über 1-2 Wochen statt sie in wenigen Tagen durchzuziehen. So hast du Zeit, erste Erkenntnisse zu reflektieren und bei späteren Interviews gezielter nachzufragen.

Außerdem ist es viel wahrscheinlicher, dass du verschiedene Typen von Nutzern erreichst, wenn du flexible Zeitfenster über einen längeren Zeitraum anbietest.

4. Die praktische Organisation: Tools sind deine Freunde

Nutze Terminplanungs-Tools wie Calendly oder Microsoft Bookings, die:

  • automatisch Pufferzeiten zwischen Terminen einplanen
  • deinen Kalender in Echtzeit aktualisieren
  • Teilnehmern Erinnerungen schicken
  • Zeitzonen-Unterschiede automatisch berücksichtigen

Diese Tools sparen dir unzählige E-Mails hin und her – und damit wertvolle Zeit!

5. Der Realitäts-Check: Flexibilität einplanen

Plant eine Erinnerungs-E-Mail oder SMS am Tag vor dem Interview ein. Dies reduziert die No-Show-Rate erheblich.

Rechne trotzdem mit etwa 20% Ausfällen und plane von vornherein mehr Interviews ein, als du eigentlich brauchst. Nichts ist frustrierender als zu wenig Daten, weil Teilnehmer kurzfristig abgesagt haben!

Mein Erfahrungswert: Für 10 durchgeführte Interviews solltest du etwa 12-13 Termine vereinbaren.

Ein praktisches Beispiel für dich:

Für eine Serie von 8 Interviews könnte dein Zeitplan so aussehen:

Woche 1:

  • Montag: 2 Interviews (10:00 und 14:00 Uhr)
  • Mittwoch: 2 Interviews (9:00 und 11:00 Uhr)

Woche 2:

  • Dienstag: 2 Interviews (13:00 und 16:00 Uhr)
  • Donnerstag: 2 Interviews (10:00 und 15:00 Uhr)
  • Freitag: 1 Reserve-Termin für mögliche Nachholtermine

Denk daran: Gutes Zeitmanagement ist nicht nur für dich wichtig, sondern zeigt auch Respekt gegenüber deinen Interviewpartnern. Und respektierte Gesprächspartner geben dir bessere, ehrlichere Antworten! 😊


3. Entspannte Atmosphäre schaffen

Interviews können für viele Menschen eine stressige Situation sein.

Sie fühlen sich geprüft oder bewertet und könnten deshalb weniger offene oder ehrliche Antworten geben. Deine wichtigste Aufgabe als Interviewer ist es daher, eine entspannte, vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen.

Wenn du selbst locker und positiv in das Gespräch gehst, wird sich dein Gegenüber in der Regel auch entspannen. Vermittle von Anfang an, dass es keine „richtigen“ oder „falschen“ Antworten gibt und dass du wirklich an den authentischen Erfahrungen und Meinungen interessiert bist.


4. Interview dokumentieren

Konzentriere dich während des Interviews voll auf das Gespräch, nicht auf das Notizen machen.

Die beste Methode ist, das Gespräch aufzuzeichnen (mit Erlaubnis!) und später die wichtigsten Punkte zu transkribieren oder zusammenzufassen.

Für die Aufzeichnung kannst du:

  • Bei Telefongesprächen spezielle Aufnahme-Apps verwenden
  • Bei Videokonferenzen die integrierte Aufnahmefunktion nutzen (z.B. in Zoom oder Skype)
  • Bei persönlichen Treffen dein Smartphone als Aufnahmegerät einsetzen
  • Mein persönlicher Favorit: Die Chrome Erweiterung von Voicenotes (Affiliate-Link) für die Aufnahme und das Transkript (und alle anderen Notizen in deinem Leben) nutzen

Hinweis: Platziere das Aufnahmegerät so, dass alle Beteiligten gut zu verstehen sind. Denke daran, immer vorher die Erlaubnis für die Aufnahme einzuholen!

👉 Kleiner Ausflug: Notizen machen ohne abzulenken

Natürlich möchtest du im Gespräch immer 100 % präsent sein, gleichzeitig aber wichtige Beobachtungen festhalten, die eine Aufnahme nicht einfangen kann.

Wie schaffst du diesen Spagat, ohne dass dein Gegenüber sich wie im Verhör fühlt?

Hier einige Techniken, die dir helfen könnten:

1. Die richtige Vorbereitung: Dein Notizblatt optimieren

Erstelle dir ein vorstrukturiertes Notizblatt mit deinen Hauptfragen und genügend Platz für Notizen. Teile das Blatt in Bereiche ein:

  • Kernaussagen (für zentrale Zitate)
  • Beobachtungen (für Körpersprache, Tonfall etc.)
  • Auffälligkeiten (für überraschende Antworten)
  • Nachfragen (für Punkte, bei denen du später nachhaken willst)

Mit dieser Struktur musst du nicht überlegen, wo du was notierst. Ein kurzer Blick, ein schneller Eintrag, und deine Aufmerksamkeit ist wieder beim Gespräch.

2. Die richtige Technik: Schnell und unauffällig notieren ⚡

Entwickle deine eigene Kurzschrift. Du musst nicht jedes Wort mitschreiben, sondern nur Schlüsselbegriffe und Emotionen.

Meine persönlichen Symbole und Abkürzungen:

  • „+“ für positive Reaktionen
  • „-“ für negative Reaktionen
  • „!“ für überraschende Aussagen
  • „?“ für Unklarheiten, die Nachfragen erfordern
  • „→“ für Implikationen/Folgerungen

Mit solchen Symbolen kannst du in Sekunden etwas notieren und sofort wieder Blickkontakt aufnehmen.

3. Die richtige Kommunikation: Transparenz schafft Vertrauen

Erkläre zu Beginn, dass du dir gelegentlich Notizen machen wirst:

„Ich werde mir gelegentlich Notizen machen, damit ich nichts Wichtiges vergesse. Das bedeutet nicht, dass irgendwas falsch ist. Im Gegenteil, es bedeutet, dass du etwas Wertvolles gesagt hast!“

Diese kurze Erklärung nimmt dem Notizenmachen seine potenzielle Bedrohlichkeit.

4. Die richtige Körpersprache: Aufmerksamkeit signalisieren

Nutze diese kleinen, aber wirkungsvollen Tricks:

  • Nicke beim Notieren, um zu zeigen, dass du noch zuhörst
  • Halte deinen Notizblock so, dass er nicht wie eine Barriere zwischen euch wirkt
  • Schau nach dem Notieren direkt wieder auf und lächle oder nicke bestätigend
  • Lehne dich zurück, wenn du nicht schreibst (Offenheit signalisieren)
5. Die digitale Alternative: Nur für Fortgeschrittene

Wenn du schnell tippen kannst, ist ein Laptop oder Tablet eine Option, ABER Vorsicht:

Digitale Geräte können eine größere Barriere darstellen als ein Notizblock. Nutze diese Option nur, wenn:

  • Du extrem schnell und ohne hinzuschauen tippen kannst
  • Du vorab erklärst, warum du ein digitales Gerät verwendest
  • Du das Gerät so positionierst, dass du noch Blickkontakt halten kannst

Kleiner Tipp: Stelle dein Gerät in den „Nicht stören“-Modus, um ablenkende Benachrichtigungen zu vermeiden!

6. Die Nach-Gesprächs-Routine: Lücken sofort füllen

Reserviere dir unbedingt 10-15 Minuten direkt nach dem Interview, um deine Notizen zu vervollständigen, solange alles noch frisch ist.

Ich nutze diese Zeit für:

  • Ergänzung von Stichpunkten zu vollständigen Gedanken
  • Markierung der wichtigsten Erkenntnisse
  • Notieren von Eindrücken, die zu subtil waren, um sie während des Gesprächs festzuhalten
Mein persönlicher Favorit: Die Duo-Methode

Wenn möglich, führe Interviews zu zweit durch: Eine Person führt das Gespräch, die andere macht ausführliche Notizen. Das bietet drei große Vorteile:

  • Die interviewende Person kann sich vollständig auf den Gesprächspartner konzentrieren
  • Die notierende Person kann detaillierter dokumentieren
  • Ihr habt später zwei Perspektiven auf das Gespräch

Diese Methode ist besonders wertvoll bei wichtigen Interviews oder wenn du noch nicht so viel Erfahrung hast.

Denk daran: Die perfekte Balance zwischen Präsenz und Dokumentation kommt mit der Übung. Mit jeder Interview-Runde wirst du entspannter und geschickter darin, beides zu vereinen!

User Interview Situation

Tipps & Tricks für ein angenehmes Gespräch

1. Ein positiver Gesprächseinstieg

Der erste Eindruck zählt, besonders bei Interviews!

Fall nicht gleich mit der Tür ins Haus, sondern nimm dir Zeit für eine freundliche Begrüßung und etwas Smalltalk, um Vertrauen aufzubauen.

Hier ein kleines Skript, falls du beim Gesprächseinstieg unsicher bist:

Hi [Name] und vielen Dank, dass du dir Zeit für dieses Gespräch nimmst. [Kurzer Smalltalk – sei freundlich und baue eine Beziehung auf].

Ich werde dir einige Fragen dazu stellen, warum du dich für [Produkt/Service] entschieden hast und was du davon hältst. Mich interessiert besonders, was dich dazu gebracht hat, [Produkt/Service] überhaupt auszuprobieren.

Wir werden das Gespräch auf etwa 30 Minuten beschränken, ist das für dich in Ordnung? [Warte auf Antwort].

Perfekt.

Noch etwas Wichtiges: Es gibt keine richtigen oder falschen Antworten, und dies ist definitiv kein Verkaufsgespräch. Ich möchte einfach nur deine ehrliche Meinung und Erfahrung hören.

Es ist mehr ein offenes Gespräch als eine Umfrage. Es kann vorkommen, dass ich bei bestimmten Punkten nachhake, um mehr Details zu erfahren. Manche Fragen könnten sich wiederholen, aber das hilft mir, ein vollständiges Bild zu bekommen.

Wenn du eine Frage nicht beantworten möchtest, sag einfach ‚darauf möchte ich nicht antworten‘ – kein Problem!

Hast du noch Fragen, bevor wir anfangen? [Antworten abwarten]

Großartig! Dann legen wir los.“

Ein GIF bei der ein Maskottchen eine Tür eintritt
Starte immer mit einem Aufklärungespräch zum Ablauf des User Interviews um nicht mit der Tür in’s Haus zu fallen

Ich weiß, Smalltalk ist nicht jedermanns Sache, aber er hilft wirklich, das Eis zu brechen. Durch einfache Fragen wie „Wie geht’s?“ oder „Wie war dein Tag bisher?“ bekommst du einen ersten Eindruck von der Stimmung deines Interviewpartners.

Wenn du deinem Gesprächspartner per Video oder persönlich begegnest, achte auch auf deine eigene Körpersprache und Mimik. Menschen spüren schnell, ob du wirklich interessiert bist oder nur pflichtbewusst Fragen abarbeitest.

2. Starte mit den einfachen Fragen

Um deinem Interviewpartner den Einstieg zu erleichtern, beginne mit einfachen, demografischen Fragen.

Diese sind leicht zu beantworten und bauen Vertrauen auf, bevor du zu tiefergehenden Themen übergehst.

Beispiele für Einstiegsfragen:

  • Wo arbeitest du?
  • Was ist dein aktueller Jobtitel?
  • Wo wohnst du?
  • Wie alt bist du?
  • Was ist dein aktueller Familienstand?
  • Was sind deine Hobbys?

3. Versuche den User aus der Reserve zu locken

Finde heraus, für was sich dein Gesprächspartner begeistert, was er mag, für was er brennt. Sei wirklich interessiert an der anderen Person. Wenn du echtes Interesse zeigst und an den richtigen Stellen nachfragst, öffnen sich die meisten Menschen und teilen wertvolle Einblicke.

Besonders gut funktioniert es, wenn du nach Hobbys oder Freizeitaktivitäten fragst und dann mit gezielten Nachfragen mehr erfährst.

Beispiele

  • Wenn jemand „Filme ansehen“ als Hobby nennt, frage: „Welchen Film würdest du mir für heute Abend empfehlen und warum?“
  • Bei „Freunde treffen“ könntest du nachfragen: „Gibt es einen besonderen Ort, an dem du dich am liebsten mit Freunden triffst?“

Wichtig ist, nicht nur mit einem kurzen „aha“ oder „okay“ zu antworten und sofort zur nächsten Frage überzugehen.

Reagiere menschlich auf die Antworten: „Den Film habe ich noch nicht gesehen, klingt nach einer guten Empfehlung!“ oder „Dieses Café kannte ich noch gar nicht, muss ich unbedingt ausprobieren.“

Sei einfach menschlich und kein Roboter. 😉

4. Mehr zuhören, weniger reden

In einem User Interview bist du die Person die zuhört und wenig redet. Versteh mich nicht falsch, du sollst nicht schweigend da sitzen und eine Frage nach der anderen Stellen. Im Gegenteil! Deine Aufgabe ist es, das Gespräch durch aktives Zuhören und gezielte Nachfragen am Laufen zu halten.

Achte darauf, dass dein Gesprächspartner etwa 80 % der Zeit spricht und du nur 20 %. Verzichte auf lange Monologe oder Erklärungen deinerseits. Die wertvollen Informationen kommen von deinem Interviewpartner.

Aktiv zuhören ist bei einem User Interview der beste Skill

Tipps & Tricks für ein flüssiges Gespräch

1. Offene Fragen stellen

Verwende bevorzugt offene Fragen, die nicht mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können.

Gute Beispiele für offene Fragen:

  • „Warum hast du dich für unser Produkt entschieden?“
  • „Wie sieht dein typischer Arbeitsablauf aus, wenn du [bestimmte Aufgabe] erledigst?“
  • „Welche Herausforderungen begegnest du regelmäßig bei deiner Arbeit?“

2. Bei Fragen in die Vergangenheit statt in die Zukunft blicken

Es ist für Menschen viel einfacher, über die Vergangenheit als über die Zukunft zu reden. Dinge, die man bereits erlebt hat, sind greifbarer als Dinge die man vielleicht noch erleben wird.

Formuliere deine Fragen deswegen bevorzugt mit Bezug auf die Vergangenheit.

Beispiel

Anstatt zu fragen „Welche Suchbegriffe würdest du bei Google eingeben, um uns zu finden?“, frage besser „Welche Suchbegriffe hast du tatsächlich bei Google eingegeben, als du nach uns gesucht hast?“

Selbst wenn die Antwort überraschend ist („Ich habe euch gar nicht über Google gefunden, sondern durch eine Empfehlung“), liefert sie dir wertvolle Erkenntnisse über die Customer Journey.

3. Gespräch am laufen halten und mehr herausfinden

Nutze diese Phrasen, um mehr Details zu erfahren oder das Gespräch am Laufen zu halten:

  • „Interessant. Kannst du mir mehr darüber erzählen?“ – Eine einfache, aber effektive Methode, um Gesprächspartner zum Ausführen ihrer Gedanken zu ermutigen.
  • „Erzähl mir vom letzten Mal, als du…“ – Fordert konkrete Erfahrungsberichte statt allgemeiner Aussagen.
  • „Was meinst du genau mit…?“ – Klärt unklare Begriffe oder vage Aussagen.
  • „Wie gehst du aktuell mit diesem Problem um?“ – Zeigt bestehende Lösungsstrategien auf.
  • „Was hat zu dieser Entscheidung geführt? Führe mich durch deine Gedanken.“ – Gibt Einblick in Entscheidungsprozesse.
  • Bei negativen Aussagen: „Das scheint dich wirklich zu stören – ich vermute, da steckt eine Geschichte dahinter?“
  • Bei positiven Aussagen: „Du klingst begeistert davon – warum ist das für dich besonders wichtig?“
User Interviews Fragenkatalog

User Interview Fragen – Der komplette Fragenkatalog

Der folgende Fragenkatalog hilft dir, alle wichtigen Informationen für aussagekräftige Personas zu sammeln. Beginne mit den einfachen demografischen Fragen und arbeite dich zu den komplexeren Themen vor.

Wichtige Hinweise:

  • Diese Fragen sind Vorschläge! Pass sie an dein Unternehmen und deine Produkte an.
  • Halte dich nicht starr an die Reihenfolge. Lass die Gesprächsdynamik den natürlichen Fluss bestimmen.
  • Wenn dir spontan relevante Fragen einfallen, zögere nicht, sie zu stellen!

Nicht vergessen: Zeichne das Gespräch auf! Du wirst mir später dankbar sein. 😉

Los geht’s – Einstiegsfragen

Viele der Antworten kannst du normalerweise auch schon vor dem Interview recherchieren. Damit du und dein Interviewpartnerin aber einen guten Einstieg habt, solltest du mit ein paar dieser einfachen Fragen starten. Die wichtigsten Fragen habe ich fett markiert**.

  • Wie alt bist du?
  • Wo wohnst du?
  • Was ist dein Familienstand?
  • Was ist dein höchster Bildungs- oder Schulabschluss?
  • Was sind deine Hobbys? (Vergiss nicht, hier nachzufragen und das Gespräch zu vertiefen!)
  • Wie sieht ein normaler Wochentag (z. B. Gestern) bei dir aus? (Falls dein Produkt nur beruflich genutzt wird, frage nach einem typischen Arbeitstag)
  • Bist du mehr in der Arbeit oder zu Hause?
  • Was machst du in den ersten Stunden eines Tages?
  • Was würdest du lieber machen, als in der Arbeit zu sein?
  • Wer sind die wichtigsten Menschen in deinem Leben und warum? (Diese Frage hilft dir zu verstehen, welche Personen Einfluss auf Entscheidungen deines Nutzers haben)

Berufsbezogene Fragen – Arbeitsleben verstehen

  • Was ist deine aktuelle Tätigkeit?
  • Wie lange arbeitest du schon in diesem Job?
  • Leitest du andere Angestellte? Wenn ja, wie viele?
  • Wer sind deine Vorgesetzten?
  • Wie viele Stunden arbeitest du an einem normalen Arbeitstag?
  • Was ist dein aktuelles Einkommen in diesem Job? (Diese Frage kannst du auslassen, wenn sie für deine Persona nicht relevant ist)
  • Welche Software/Tools nutzt du täglich?
  • Welche davon nutzt du gerne und welche nicht? Warum?

Tiefergehende Fragen – Zum Kern vordringen

Hier geht es ans Eingemachte. Diese Fragen fordern ein bisschen mehr. Gib also deinen Interviewpartnern Zeit für die Antworten und hör genau zu!

  • Wie hast du von unserem Business erfahren?
  • Was war dein erster Eindruck von uns?
  • Warum hast du dich für [Produkt oder Unternehmen] entschieden?
  • Was war deine größte Sorge oder dein größter Vorbehalt gegenüber [Produkt oder Unternehmen]?
  • Nach welchen Faktoren wird dein Erfolg im Job gemessen? Welche Zahlen oder Diagramme sind für dich wichtig?
  • Welche Fähigkeiten brauchst du in deinem Job?
  • Wo hast du diese Fähigkeiten erworben?
  • Was sind deine beruflichen Ziele? (Oder persönlichen Ziele, falls dein Produkt im privaten Kontext genutzt wird)
  • Wie arbeitest du aktuell daran, diese Ziele zu erreichen?
  • Was brauchst du noch, um diese Ziele zu erreichen?
  • Was sind die größten Herausforderungen und Frustrationen in deinem Job?
  • Wer oder was motiviert dich im Beruf?
  • Wie bildest du dich für deinen Job weiter?

Medien- und Kaufverhalten – Touchpoints erkennen

  • Welche News oder Blogs liest du regelmäßig?
  • Welche sozialen Medien nutzt du und wofür?
  • Wie und wo kaufst du am liebsten ein?
  • Nutzt du das Internet, um dich über Produkte und Anbieter zu informieren? Wie genau?
  • Beschreibe deinen letzten größeren Einkauf – von der Idee bis zum Kauf
  • Warum hast du dich für dieses Produkt entschieden?
  • Wie hast du dich informiert, bevor du die Kaufentscheidung getroffen hast?

Produktspezifische Fragen – Den Use Case verstehen

  • Wie häufig nutzt du [Produkt/Service]?
  • In welchen Situationen nutzt du [Produkt/Service] am häufigsten?
  • Was gefällt dir besonders gut an [Produkt/Service]?
  • Was frustriert dich an [Produkt/Service]?
  • Wenn du [Produkt/Service] mit einem Wort beschreiben müsstest, welches wäre das?
  • Welche Alternativen zu [Produkt/Service] hast du in Betracht gezogen?
  • Würdest du [Produkt/Service] einem Freund oder Kollegen empfehlen? Warum (nicht)?
  • Welche Funktion fehlt dir bei [Produkt/Service]?

Typische Fehler bei User Interviews und wie du sie vermeidest

Nach unserem Fragenkatalog möchte ich dir nun die häufigsten Fallstricke bei User Interviews zeigen.

Selbst erfahrene Interviewer tappen manchmal in diese Fallen. Aber mit dem richtigen Bewusstsein kannst du sie gezielt vermeiden und deine Interviews auf ein neues Level heben.

Die 10 größten User Interview-Fallen und wie du sie umgehst

1. Nach Komplimenten angeln

Der Fehler:

  • „Ich denke darüber nach, ein neues Design-Tool zu entwickeln… Glaubst du, dass das funktionieren wird?“
  • „Ich habe eine fantastische Idee für eine App – gefällt sie dir?“

Warum es problematisch ist: Solche Fragen signalisieren deinem Gesprächspartner, dass du eigentlich nach Bestätigung suchst, nicht nach ehrlichem Feedback. Die meisten Menschen werden höflich sein und dich nicht enttäuschen wollen. Dadurch bekommst du geschönte, unbrauchbare Daten.

Die Lösung: Frage stattdessen nach konkreten Erfahrungen: „Wie löst du aktuell dieses Problem?“ oder „Welche Werkzeuge nutzt du momentan und was funktioniert daran nicht optimal?“ Wenn du deine Idee testen willst, präsentiere sie neutral: „Eine mögliche Lösung könnte X sein. Welche Vor- und Nachteile siehst du daran?“

2. Gefühle und persönliche Betroffenheit zeigen (das Pathos-Problem)

Der Fehler:

  • „Hier ist das streng geheime Projekt, für das ich meinen Job aufgegeben habe… Was hältst du davon?“
  • „Ich kann das verkraften. Sei bitte ehrlich und sag mir, was du denkst!“

Warum es problematisch ist: Durch emotionale Statements erzeugst du Druck auf den Interviewpartner. Er wird sich verpflichtet fühlen, deine Gefühle zu schonen und dir positives Feedback zu geben – selbst wenn er erhebliche Bedenken hat.

Die Lösung: Wahre professionelle Distanz zu deinem Projekt. Erkläre sachlich, worum es geht, und betone, dass ehrliches Feedback am wertvollsten ist. Trenne dein Projekt klar von deiner Person: „Wir entwickeln diese Lösung und möchten verstehen, ob sie wirkliche Probleme löst.“

3. In den Verkaufsmodus schalten

Der Fehler:

  • „Nein, nein, ich glaube nicht, dass du mich richtig verstanden hast…“
  • „Ja, aber es kann auch Folgendes…“

Warum es problematisch ist: Wenn du anfängst, dein Konzept zu verteidigen oder zu verkaufen, hast du die Rolle des objektiven Interviewers verlassen. Du signalisierst, dass du nur bestätigende Antworten akzeptierst und nicht wirklich offen für Kritik bist.

Die Lösung: Nimm jede Antwort als wertvolle Information entgegen. Auch wenn sie deinen Annahmen widerspricht. Statt zu widersprechen, frage nach: „Interessant, kannst du mir mehr darüber erzählen, warum du das so siehst?“

Denke daran: Negative Rückmeldungen sind Gold wert, um dein Produkt zu verbessern!

4. Zu formell sein

Der Fehler:

  • „Also, erst einmal vielen Dank für das Interview. Wir haben nur ein paar Fragen an Sie, dann entlassen wir Sie wieder in Ihren Alltag…“
  • „Auf einer Skala von 1 bis 5, was würden Sie sagen…“

Warum es problematisch ist: Eine zu steife, formelle Atmosphäre erinnert an Prüfungssituationen oder klinische Studien. Der Interviewpartner wird sich nicht entspannen und natürlich verhalten, sondern „richtige“ Antworten suchen.

Die Lösung: Schaffe eine entspannte, konversationelle Atmosphäre. Verwende eine natürliche Sprache, nutze Vornamen (wenn angebracht) und beginne mit leichtem Smalltalk. Stelle offene Fragen, die zu Erzählungen einladen, statt standardisierte Bewertungsskalen abzufragen.

5. Ein Erkenntnis-Engpass im eigenen Team sein

Der Fehler:

  • „Kümmert euch einfach um das Produkt. Ich kümmere mich um die Kunden.“,
  • „Weil die Kunden das gesagt haben, machen wir es so.“

Warum es problematisch ist: Wenn nur eine Person alle Kundeninterviews führt und die Erkenntnisse nicht richtig mit dem Team teilt, entsteht ein gefährlicher Informationsengpass. Schlimmer noch: Persönliche Interpretationen oder Vorlieben können als „Kundenmeinung“ verkauft werden.

Die Lösung: Nimm wenn möglich Teammitglieder zu Interviews mit oder wechsle die Interviewer ab. Zeichne Interviews (mit Erlaubnis) auf oder erstelle detaillierte Protokolle mit direkten Zitaten. Präsentiere die rohen Daten und Erkenntnisse gemeinsam im Team, damit alle ein direktes Verständnis der Nutzerbedürfnisse entwickeln.

6. Suggestivfragen stellen

Der Fehler:

  • „Du findest doch sicher auch, dass dieses Feature besonders nützlich wäre, oder?“
  • „Ist es nicht frustrierend, wenn die aktuelle Lösung so langsam ist?“

Warum es problematisch ist: Diese Frageform legt dem Interviewpartner praktisch die Antwort in den Mund. Du erhältst keine authentischen Einsichten, sondern bestätigst nur deine eigenen Annahmen.

Die Lösung: Formuliere neutral: „Wie empfindest du dieses Feature?“ oder „Wie bewertest du die Geschwindigkeit der aktuellen Lösung?“ Lass den Interviewpartner selbst die Bewertung vornehmen, ohne Hinweise zu geben, welche Antwort du erwartest.

7. Zu viel selbst reden

Der Fehler: Lange Erklärungen geben oder eigene Erfahrungen ausführlich schildern, während der Interviewpartner kaum zu Wort kommt.

Warum es problematisch ist: Das Interview ist dazu da, die Perspektive des Nutzers zu verstehen, nicht, um deine eigenen Gedanken mitzuteilen. Jede Minute, die du redest, ist eine verlorene Minute für wertvolle Nutzereinblicke.

Die Lösung: Halte dich an die 80/20-Regel: Dein Gesprächspartner sollte etwa 80% der Zeit sprechen, du nur 20%. Stelle kurze, präzise Fragen und konzentriere dich dann voll aufs Zuhören. Wenn Stille entsteht, widerstehe dem Drang, sie zu füllen – oft führt ein kurzes Schweigen zu tieferen Überlegungen beim Interviewpartner.

8. Nicht bei interessanten Punkten nachhaken

Der Fehler: Einen vorbereiteten Fragenkatalog stur abarbeiten, ohne auf überraschende oder interessante Aussagen einzugehen.

Warum es problematisch ist: Oft liegen die wertvollsten Erkenntnisse in unerwarteten Antworten verborgen. Wenn du starr an deinem Fragenkatalog festhältst, verpasst du die Gelegenheit, diese Goldadern zu erschließen.

Die Lösung: Betrachte deinen Fragenkatalog als Leitfaden, nicht als strikt zu befolgenden Plan. Wenn der Interviewpartner einen interessanten Punkt anspricht, zögere nicht, spontan nachzufragen: „Das klingt spannend! Kannst du mir mehr dazu erzählen?“ oder „Warum ist das für dich wichtig?“

9. Fachbegriffe und Insider-Sprache verwenden

Der Fehler: „Wie findest du die Usability unserer UI-Komponenten im Kontext des neuen Design-Systems?“

Warum es problematisch ist: Fachbegriffe können Interviewpartner einschüchtern oder verwirren, besonders wenn sie nicht aus demselben beruflichen Umfeld kommen. Sie könnten zögern, nachzufragen, und stattdessen vage Antworten geben.

Die Lösung: Verwende eine allgemein verständliche Sprache und erkläre Fachbegriffe, falls notwendig. Frage lieber: „Wie leicht oder schwer ist es für dich, mit unserem Produkt zu arbeiten?“ oder „Welche Teile der Benutzeroberfläche findest du hilfreich oder störend?“

10. Nicht auf nonverbale Signale achten

Der Fehler: Sich ausschließlich auf die verbalen Antworten konzentrieren und Körpersprache, Gesichtsausdruck und Tonfall ignorieren.

Warum es problematisch ist: Menschen kommunizieren einen großen Teil ihrer Gedanken und Gefühle nonverbal. Wenn jemand sagt, dass alles „in Ordnung“ sei, aber dabei die Stirn runzelt oder zögert, gibt es möglicherweise unausgesprochene Probleme.

Die Lösung: Achte bewusst auf Körpersprache und Tonfall. Wenn du Diskrepanzen zwischen verbalen und nonverbalen Signalen bemerkst, frage vorsichtig nach: „Du wirkst etwas unsicher. Gibt es noch andere Aspekte, die wir besprechen sollten?“ Bei Video- oder Telefoninterviews kannst du auf Zögern, Seufzen oder Änderungen im Tonfall achten.

Split Screen eines Remote Interviews

Wie du die Qualität deiner User Interviews steigerst

Nach all diesen Fallstricken möchte ich dir noch einige positive Strategien mit auf den Weg geben, die die Qualität deiner Interviews deutlich verbessern können:

Vor dem Interview:

  • Bereite dich gründlich vor, aber lerne deinen Fragenkatalog nicht auswendig
  • Führe ein Probe-Interview mit einem Kollegen durch
  • Plane genügend Pausen zwischen mehreren Interviews ein

Während des Interviews:

  • Stelle eine klare Verbindung zwischen den Fragen und dem Alltag des Nutzers her
  • Verwende die „Warum“-Technik: Frage mehrmals nach dem „Warum“, um von oberflächlichen Antworten zu tieferen Motivationen vorzudringen
  • Nimm eine Haltung der Neugier und des Lernenwollens ein

Nach dem Interview:

  • Reflektiere kritisch: Was lief gut, was könnte beim nächsten Mal besser laufen?
  • Teile deine Erkenntnisse zeitnah mit deinem Team
  • Vergleiche die Ergebnisse verschiedener Interviews, um Muster zu erkennen

Denke daran: User Interviews sind eine Fertigkeit, die du durch Übung ständig verbessern kannst. Mit jedem Interview wirst du sicherer und geschickter darin, wertvolle Einblicke zu gewinnen.

Nachbereitung: Wie du das Maximum aus deinen Interviews herausholst

Glückwunsch! Du hast deine ersten User Interviews erfolgreich durchgeführt?👏

Jetzt kommt der Teil, der über Erfolg oder Misserfolg deiner ganzen Arbeit entscheidet: die Nachbereitung. Denn selbst die besten Interviews sind wertlos, wenn du die gewonnenen Erkenntnisse nicht richtig auswertest und nutzt.

Kennst du das? Du führst großartige Gespräche, sammelst wertvolle Insights und ein paar Wochen später weißt du nicht mehr genau, was eigentlich gesagt wurde? Genau das wollen wir vermeiden!

Mit meinem 4-Schritte-Plan für die Nachbereitung holst du garantiert das Maximum aus deinen Interviews heraus.

1. Sofortige Auswertung: Der erste, entscheidende Schritt

Der wichtigste Tipp überhaupt: Nimm dir unmittelbar nach jedem Interview 15-30 Minuten Zeit für eine erste Auswertung.

Warum?

Weil zu diesem Zeitpunkt noch alles frisch in deinem Gedächtnis ist. Eindrücke, Gefühle, nonverbale Signale, die du in keiner Aufnahme einfangen kannst.

Hier sind meine drei Must-Dos direkt nach dem Interview:

Unmittelbare Eindrücke notieren

Setze dich hin und schreibe sofort deine ersten Gedanken auf.

  • Was hat dich überrascht?
  • Welche Stimmung hatte das Gespräch?
  • Wie hat der Interviewpartner auf bestimmte Fragen reagiert?

Ich nutze dafür ein einfaches Template mit diesen Fragen:

  • Was waren die 3 überraschendsten Aussagen?
  • Welche nonverbalen Signale habe ich bemerkt?
  • Welche Emotionen hat das Gespräch ausgelöst (beim Interviewpartner und bei mir)?

Wichtige Erkenntnisse markieren

Gehe deine Notizen durch und markiere die wichtigsten Erkenntnisse.

Am besten mit verschiedenfarbigen Markern oder Tags wie „Schmerzpunkt“, „Bedürfnis“, „Idee“, „Überraschung“.

Du wirst erstaunt sein, wie viel klarer dir wichtige Zusammenhänge werden, wenn du sie direkt visuell hervorhebst. Und bei der späteren Analyse kannst du so viel schneller die Kernpunkte erfassen.

Schlüsselzitate transkribieren

Such dir die 3-5 eindrucksvollsten Zitate aus dem Gespräch und transkribiere sie wörtlich.

Diese authentischen O-Töne sind unglaublich wertvoll, um deinem Team später die Nutzerperspektive näherzubringen. Nichts überzeugt so sehr wie die direkten Worte eines echten Nutzers!

Tipp: Erstelle dir ein Nachbereitungs-Ritual! Bei mir ist es ein Kaffee und 20 Minuten ungestörte Zeit direkt nach jedem Interview. Dieses kleine Ritual sorgt dafür, dass ich die Nachbereitung niemals aufschiebe.

2. Daten analysieren: Vom Einzelfall zum großen Ganzen

Nach mehreren Interviews wird es Zeit, die gesammelten Daten systematisch zu analysieren. Hier geht es darum, aus Einzelaussagen übergeordnete Erkenntnisse zu gewinnen.

Muster erkennen

Lege alle deine Notizen und Transkriptionen nebeneinander und suche nach wiederkehrenden Themen.

  • Welche Probleme wurden mehrfach genannt?
  • Welche Bedürfnisse tauchen immer wieder auf?

Ich erstelle dafür gerne eine „Themen-Matrix“, in der ich erfasse, welche Themen von wie vielen Interviewpartnern angesprochen wurden.

Eine einfache Methode ist das Affinity Mapping: Schreibe einzelne Erkenntnisse auf Post-its und gruppiere sie dann nach thematischer Nähe.

So entstehen auf natürliche Weise thematische Cluster, die dir die wichtigsten Muster zeigen.

Gemeinsamkeiten identifizieren

Jetzt wird es spannend:

Welche Gemeinsamkeiten gibt es zwischen unterschiedlichen Nutzern?

Gibt es bestimmte Nutzertypen, die ähnliche Bedürfnisse oder Probleme haben? Diese Gemeinsamkeiten sind die Grundlage für deine späteren Personas.

Ich liste mir immer diese Aspekte auf:

  • Gemeinsame Herausforderungen und Schmerzpunkte
  • Ähnliche Ziele und Motivationen
  • Vergleichbare Arbeitsabläufe oder Gewohnheiten
  • Gemeinsame demografische oder berufliche Merkmale

Überraschende Erkenntnisse hervorheben

Dinge, die dich überrascht haben, sind besonders wertvoll. Sie zeigen, wo deine bisherigen Annahmen möglicherweise falsch waren. Stelle diese überraschenden Erkenntnisse besonders heraus und überlege, welche Implikationen sie für dein Produkt haben könnten.

Frage dich: Was haben wir bisher übersehen? Welche neuen Möglichkeiten eröffnen sich durch diese unerwarteten Einsichten?

Tipp: Halte dich in dieser Phase bewusst zurück, sofort Lösungen zu entwickeln! Konzentriere dich darauf, die Nutzer wirklich zu verstehen, bevor du an Produktfeatures denkst. Ich schreibe sogar manchmal „Noch keine Lösungen!“ als Erinnerung über meine Analysedokumente.

3. Mit Team teilen: Insights zu kollektivem Wissen machen

Die besten Erkenntnisse bringen nichts, wenn sie nur in deinem Kopf bleiben. Der nächste entscheidende Schritt ist, das gewonnene Wissen mit deinem Team zu teilen und eine gemeinsame Basis für Entscheidungen zu schaffen.

Workshop mit Stakeholdern

Plane einen interaktiven Workshop, in dem du deine Erkenntnisse vorstellst und gemeinsam mit deinem Team interpretiert.

Mach ihn interaktiv! Statt nur zu präsentieren, lass dein Team mit den Daten arbeiten. Zm Beispiel durch gemeinsames Affinity Mapping oder Persona-Entwicklung.

Rohdaten zugänglich machen

Stelle deinem Team Zugang zu den anonymisierten Rohdaten zur Verfügung. Transkripte, Aufnahmen (mit Erlaubnis natürlich), deine Notizen. Nichts ist so überzeugend wie die unverfälschten Aussagen der Nutzer selbst.

Ich erstelle dafür ein zentrales Verzeichnis mit einer klaren Struktur:

  • Interview-Transkripte oder Zusammenfassungen
  • Audiodateien (falls vorhanden und erlaubt)
  • Meine Nachbereitungsnotizen
  • Erste Analysen und Muster

Wichtigste Erkenntnisse präsentieren

Destilliere deine Analyse in 5-7 Schlüsselerkenntnisse, die für dein Produkt besonders relevant sind.

Präsentiere zu jeder Erkenntnis konkrete Zitate oder Beispiele aus den Interviews.

Gestalte diese Erkenntnisse visuell ansprechend. Mit Fotos, Diagrammen oder sogar kurzen Video-Ausschnitten aus den Interviews. So bleiben sie im Gedächtnis und werden zum Referenzpunkt für zukünftige Diskussionen.

Tipp: Lade auch Kollegen zum Workshop ein, die nicht direkt am Produkt arbeiten. Frische Perspektiven können zu überraschenden Einsichten führen!

4. Erkenntnisse umsetzen – Von Wissen zu Handlung

Der letzte und wichtigste Schritt: Sorge dafür, dass die gewonnenen Erkenntnisse tatsächlich in dein Produkt einfließen.

Ohne konkrete Umsetzung war all die Arbeit umsonst.

User Personas erstellen/aktualisieren

Nutze die gesammelten Daten, um neue User Personas zu erstellen oder bestehende zu aktualisieren. Achte darauf, dass jede Persona auf echten Nutzerdaten basiert und nicht auf Annahmen.

Eine gute Persona umfasst:

  • Demografische Daten
  • Ziele und Motivationen
  • Herausforderungen und Schmerzpunkte
  • Tägliche Arbeitsabläufe und Gewohnheiten
  • Technologieaffinität und genutzte Tools
  • Und besonders wichtig: Konkrete Zitate aus den Interviews

Product Backlog anpassen

Übersetze die identifizierten Nutzerbedürfnisse und -probleme in konkrete Product-Backlog-Items. Priorisiere Features und Änderungen basierend auf den Erkenntnissen aus den Interviews.

Ich erstelle für jede wichtige Erkenntnis eine User Story nach dem Format: „Als [Persona] möchte ich [Funktion/Lösung], um [Nutzen/Ziel].“

Entscheidend dabei: Verlinke jede User Story mit den entsprechenden Interview-Erkenntnissen, sodass ihr später immer nachvollziehen könnt, warum ihr bestimmte Features entwickelt.

Follow-up Interviews planen

User Research ist kein einmaliges Ereignis, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Plane bereits jetzt, wann und mit wem du Follow-up-Interviews durchführen willst, um deine Annahmen weiter zu validieren oder neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Führe einen „Interview-Kalender“, in dem du festhältst:

  • Wann du das nächste Mal mit bestimmten Nutzergruppen sprechen solltest
  • Welche offenen Fragen noch geklärt werden müssen
  • Welche neuen Hypothesen getestet werden sollen

Das Wichtigste zum Schluss: Der Kreislauf der kontinuierlichen Verbesserung

Denk daran: User Interviews sind keine einmalige Aktion, sondern Teil eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses.

Jedes Interview bringt dich näher an deine Nutzer heran und hilft dir, bessere Produkte zu entwickeln.

Der Wert guter User Interviews

User Interviews sind eine der wertvollsten Ressourcen für nutzerzentrierte Produktentwicklung. Sie bieten dir authentische Einblicke, die durch keine andere Methode in dieser Tiefe zu gewinnen sind.

Die Vorteile gut durchgeführter User Interviews:

  • Sie liefern die Grundlage für realistische, datenbasierte Personas
  • Sie helfen dir, die richtigen Nutzer anzusprechen und ihre Bedürfnisse zu erfüllen
  • Sie decken unerkannte Probleme und Chancen auf
  • Sie verbessern deine Kommunikations- und Empathiefähigkeiten

Denk daran: Je besser du deine Nutzer verstehst, desto erfolgreicher werden deine Produkte sein.

User Interviews sind eine Investition, die sich mehrfach auszahlt. In besseren Produkten, zufriedeneren Kunden und letztlich auch in deinem Geschäftserfolg.

Der nächste Schritt

Nachdem du alle Interviews durchgeführt und die wichtigsten Erkenntnisse dokumentiert hast, kannst du mit der Erstellung oder Überarbeitung deiner User Personas beginnen.

Nutze die gesammelten Daten, um authentische, handlungsleitende Personas zu entwickeln, die dein Team wirklich versteht und nutzt.

Der perfekte User Interview-Prozess

Von der Planung bis zur Auswertung – Dein Schritt-für-Schritt Guide

🎯

PHASE 1: VORBEREITUNG

1
Interviewpartner finden
  • Aktuelle Kunden
  • Frühere Kunden
  • Potenzielle Nutzer
2
Fragenkatalog erstellen
  • Demografische Fragen
  • Berufsbezogene Fragen
  • Produktspezifische Fragen
3
Format festlegen
  • Persönlich (ideal)
  • Remote (Video)
  • Telefonisch
4
Technische Vorbereitung
  • Aufnahmegerät testen
  • Videokonferenz einrichten
  • Ruhigen Raum organisieren
🗣️

PHASE 2: DURCHFÜHRUNG

1
Begrüßung & Aufklärung
  • Smalltalk (Eis brechen)
  • Ablauf & Zeitrahmen erklären
  • Erlaubnis zur Aufnahme einholen
2
Einstiegsfragen stellen
  • Einfache demografische Fragen
  • Beruflicher Hintergrund
  • Hobbys & Interessen
3
Tiefergehende Fragen
  • Offene „Warum“-Fragen stellen
  • Vergangenheit statt Zukunft
  • Nach konkreten Beispielen fragen
4
Aktives Zuhören
  • 80% zuhören, 20% sprechen
  • Auf Körpersprache achten
  • Bei interessanten Punkten nachhaken
5
Abschluss
  • Offene Fragen klären
  • Für die Zeit danken
  • Nächste Schritte erläutern
⚖️

DO’S & DON’TS

DO’S ✓
  • Offene Fragen stellen
  • Entspannte Atmosphäre schaffen
  • Interview dokumentieren
  • Gespräch am Laufen halten
  • Auf nonverbale Signale achten
DON’TS ✗
  • Nach Komplimenten angeln
  • In den Verkaufsmodus schalten
  • Suggestivfragen stellen
  • Zu viel selbst reden
  • Fachbegriffe ohne Erklärung verwenden
📊

PHASE 3: NACHBEREITUNG

1
Sofortige Auswertung
  • Unmittelbare Eindrücke notieren
  • Wichtige Erkenntnisse markieren
  • Schlüsselzitate transkribieren
2
Daten analysieren
  • Muster erkennen
  • Gemeinsamkeiten identifizieren
  • Überraschende Erkenntnisse hervorheben
3
Mit Team teilen
  • Workshop mit Stakeholdern
  • Rohdaten zugänglich machen
  • Wichtigste Erkenntnisse präsentieren
4
Erkenntnisse umsetzen
  • User Personas erstellen/aktualisieren
  • Product Backlog anpassen
  • Follow-up Interviews planen

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